Kritische Kollektivität Im Netz
Kritische Kollektivität im Netz
Carolin Wiedemann fragt im Vorwort zu Kritische Kollektivität im Netz:
Wie konstituiert sich Kollektivität jenseits von Identitätslogiken; wie kann Gemeinschaft konzipiert werden, die nicht nach innen homogenisiert und nach außen abschließt?
-- (Wiedemann 2016, S. 7)
Zu Anonymous gelangte Wiedemann im Anschluss an ihre Magisterarbeit - in der sie sich mit den sich in Facebook spiegelnden Machtmechanismen befasste, "die Foucault mit dem Konzept der Gouvernementalität erfasst hatte" (ebd., S. 7) - durch die Frage, "wie denn Widerstand unter den Bedingungen jener Gouvernementalität möglich sei und wie er überhaupt mit den Konzepten Michel Foucaults und den Theorien in seiner Folge zu konzipieren wäre." (ebd., S. 13)
Im Anschluss an die Lektüre von "jenen 90er-Jahre-Utopien US-amerikanischer Medienwissenschaftler_innen […], die sich den Cyberspace als Ort ohne Hierarchien vorstellten, der alle gleich und doch frei machen würde, in dem es keine Herrschaftsverhältnisse und keine Kontrolle gäbe" (ebd., S. 12) stellte Wiedemann fest:
Das Internet brachte keine befreite Parallelwelt hervor, sondern produzierte und reproduzierte bestimmte Machtverhältnisse, so dass heute jene Social Networking Sites am meisten Erfolg haben, auf denen User_innen sich zur Freude großer Konzerne und der NSA ‚authentisch‘ selbst vermessen.
-- (ebd., S. 13)
Eine Definition des Internets liefert Wiedemann später:
Ein verteiltes, horizontales Kommunikationsnetzwerk, dessen Knoten andauernd im Austausch stehen – leicht lässt sich in einem solchen Modell die Grundidee des Internets erkennen. Die Idee, Computer so miteinander zu vernetzen, dass sie ihre Zeit und Kapazität zwischen vielen User_innen aufteilen, um eine Echtzeit-Interaktion zu ermöglichen, formulierte bereits in den 50er Jahren unter anderen J.C.R. Licklider mit seinem Entwurf eines Time-Sharing-Systems (vgl. Grassmuck 2010: 10f.). 1962 begann Licklider für das Advanced Research Projects Agency (ARPA) des US-Verteidigungsministeriums zu forschen, wo er Leiter des Command and Control Research wurde, das er in Information Processing Techniques Office (IPTO) umbenannte. Auf der Basis der Erfahrungen mit Time-Sharing-Systemen erweiterte dieser ARPA-Forschungsbereich die Definition des Computers als Rechen- um die der Kommunikationsmaschine (ebd.). Der Computer wurde somit immer mehr als Medium begriffen (vgl. Friedewald 2000: 9).
-- (ebd., S. 31)